Cosima Lena WagnerPersönliche Haftung von Organen des Arbeitgebers in der bAV

I. Einleitung

Im Zusammenhang mit der Haftung des Arbeitgebers gemäß § 1 S. 3 BetrAVG für die durch den Versicherer garantierte Versicherungsleistung gegenüber dem Arbeitnehmer stellt sich vor dem Hintergrund der andauernden Niedrigzinsphase immer wieder die Frage, ob auch Organe des Arbeitgebers – also z.B. Geschäftsführer und Vorstände – dem Risiko einer persönlichen Haftung bei der Auswahl und Durchführung der betrieblichen Altersvorsorge ausgesetzt sind.

 

 

II. Rechtliche Grundlagen

Gemäß § 1 S. 3 BetrAVG muss der Arbeitgeber für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen aus einer dem Arbeitnehmer gewährten betrieblichen Altersvorsorge auch dann einstehen, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt. Kann also ein Versicherer z.B. die zugesagten Garantiezinsen nicht erwirtschaften, so greift die gesetzliche Verpflichtung für den Arbeitgeber, die entstandene Lücke finanziell gegenüber dem Arbeitnehmer auszugleichen. Hierbei handelt es sich um die sogenannte Subsidiärhaftung des Arbeitgebers.

 

Folglich treffen den Arbeitgeber daher eine Reihe von Pflichten, die er bei der Gestaltung der betrieblichen Altersvorsorge in seinem Unternehmen zu berücksichtigen hat. Verantwortlich hierfür sind in Person die jeweiligen Organe des Arbeitgebers, also insbesondere Geschäftsführer bei der GmbH und Vorstände bei der Aktiengesellschaft.

 

Geschäftsführer und Vorstände (im Folgenden „Geschäftsleitung“ genannt) haften dann persönlich, wenn sie schuldhaft ihre Sorgfaltspflichten gegenüber der Gesellschaft verletzen und der Gesellschaft daraus ein Schaden entsteht (§ 43 GmbHG bzw. § 93 AktG).

 

 

III. Haftung der Geschäftsleitung

Sowohl für eine Haftung nach § 43 GmbHG als auch für eine Haftung nach § 93 AktG wird vorausgesetzt, dass eine Verletzung der Sorgfaltspflichten der Geschäftsleitung vorliegt und der Gesellschaft dadurch ein Nachteil entsteht.

a. Nachteil / Schaden

Kann der von der Geschäftsleitung ausgewählte Versicherer die Zusagen aus der betrieblichen Altersvorsorge gegenüber den Arbeitnehmern nicht erfüllen, haftet der Arbeitgeber für die entstandene Lücke. Es ist also leicht festzustellen, dass in solchen Fällen ein Schaden für die Gesellschaft entsteht.

 

Auch können erhebliche Kosten schon dadurch entstehen, dass sich die Struktur einer betrieblichen Altersvorsorge später als ungeeignet erweist und diese restrukturiert und/oder saniert werden muss.

 

Darüber hinaus kann der Gesellschaft noch weiterer Schaden durch Unzufriedenheit bei den Mitarbeitern und Imageverluste entstehen, insbesondere wenn der Arbeitgeber bei der Suche nach Fachkräften Attraktivität am Arbeitsmarkt einbüßt.

 

b. Sorgfaltspflichten bei der Auswahl der betrieblichen Altersvorsorge

Eine Haftung der Geschäftsleitung ist aber nur dann gegeben, wenn dieser Schaden auf einer Sorgfaltspflichtverletzung beruht, also kausal auf eine solche zurückzuführen ist. Entscheidend ist also, was genau die Pflichten der Geschäftsleitung bei Auswahl und Durchführung der betrieblichen Altersvorsorge sind und wie diese eingehalten werden können, insbesondere wenn abzusehen sein sollte, dass Zusagen gegenüber den Arbeitnehmern möglicherweise nicht eingehalten werden können.

 

Die Geschäftsleitung muss sich stets an der „Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes“ messen lassen, sowohl die Geschäftsführung der GmbH als auch der Vorstand der AG. Zwar entscheidet der Arbeitgeber grundsätzlich im eigenen Ermessen, wie er die betriebliche Altersversorgung für seine Arbeitnehmer durchführen möchte. Da die finanziellen Auswirkungen seiner Entscheidung jedoch unmittelbar die Arbeitnehmer treffen, hat er diesen gegenüber bei der Auswahl der geeigneten Altersvorsorge die im Verkehr erforderliche Sorgfalt walten zu lassen (siehe hierzu nur Urteil des BAG, Az. 3 AZR 807/11). Der Arbeitgeber in Person der Geschäftsleitung muss also zwingend die Vor- und Nachteile sowie die Risiken einzelner Gestaltungsmöglichkeiten prüfen und abwägen. Er muss eine geeignete Auswahl treffen. Tut er dies nicht, ergibt sich ein Haftungsrisiko – sowohl für die Gesellschaft als auch für den handelnden Geschäftsleiter persönlich (dazu schon Forst, ZIP 2013, 253).

 

Allerdings stellt sich die Frage, inwieweit dieses Haftungsrisiko eventuell eingeschränkt werden kann. In § 93 Abs. 1, S. 2 AktG ist zusätzlich zu dem allgemeinen Sorgfaltsmaßstab des „ordentlichen Geschäftsmannes“ ausdrücklich geregelt, dass eine Pflichtverletzung dann nicht vorliegt, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Diese sogenannte „Business Judgement Rule“ wird von der Rechtsprechung auch für die Geschäftsleitung der GmbH angewendet (Ziemons/Pöschke, BeckOK GmbHG, 41. Edition, § 43, Rn. 105 ff).

 

Entscheidend ist demnach vor allem, in welchen Fällen sich die Geschäftsleitung darauf berufen kann, „auf Grundlage angemessener Informationen“ gehandelt zu haben. Erforderlich ist dabei eine sorgfältige Abwägung aller erkennbaren Entscheidungsvarianten und den damit verbundenen Chancen, Risiken und Kosten. Fehlt dem Geschäftsleiter die zur Einschätzung der Situation erforderliche eigene Sachkunde, so ist er zur Einholung externen sachkundigen Rats verpflichtet (Beurskens in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Aufl. 2019, § 43, Rn. 37 m.w.N.).

 

Hierzu muss der Arbeitgeber also alle in Betracht kommenden Leistungsträger und Durchführungsmodalitäten überprüfen sowie die Finanzkraft der entsprechenden Versicherer einschätzen. Dafür stehen ihm zwar eine Reihe öffentlich zugänglicher Informationen zur Verfügung, wie z.B. diverse Fachliteratur, Publikumszeitschriften und bAV-Broschüren der Versicherer, Seminare und Produktprüfungsagenturen. Jedoch dürfte es in den meisten Fällen die Ressourcen für Zeit und Kosten der Geschäftsleitung übersteigen, sich selbst persönlich mit dem Thema auf ausreichend hohem Niveau zu befassen.

 

Folglich ist eine umfassende Beratung durch spezialisierte Experten dringend anzuraten. Je nach Tragweite der Entscheidung in Bezug auf Kosten und Auswirkungen für die Mitarbeiter muss die Geschäftsleitung auch die bestmögliche Beratung heranziehen.

 

Die erste Entscheidung, die die Geschäftsleitung dabei zu treffen hat, ist also, wo sie sich überhaupt sachkundigen Rat einholen will. Sie hat unter Abwägung von Kosten und Nutzen denjenigen Experten zu ermitteln, der zur Beratung am besten qualifiziert ist und den größtmöglichen Beratungsumfang schuldet. Hat sich die Geschäftsleitung also z.B. zwischen einem Versicherungsvertreter und einem Makler zu entscheiden, so muss sich die Geschäftsleitung darüber bewusst sein, dass der Makler nicht nur richtige Information zu einem bestimmten Versicherungsprodukt schuldet, sondern darüber hinaus umfassende Informations- und Beratungspflichten hat. Bei der betrieblichen Altersvorsorge ist insbesondere zu berücksichtigen, dass ein Makler seinem Auftraggeber z.B. eine Plausibilitätsprüfung dahingehend schuldet, ob die Versicherung die Brutto-Beitragsgarantie überhaupt wird erfüllen können.

 

Vor dem Hintergrund der derzeitigen Niedrigzinsphase könnte es eine Pflichtverletzung der Geschäftsleitung darstellen, sich über die Plausibilität der Garantie nicht zu informieren. Konkrete Rechtsprechung gibt es zu diesen Fällen bislang nur zur Frage der Vermögensbetreuungspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer (BAG, Az. 3 AZR 807/11), nicht jedoch zu den einzelnen Informations-, Prüfungs- und Handlungspflichten der Geschäftsleitung. Vor dem Hintergrund dieser Vermögensbetreuungspflicht des Arbeitgebers gegenüber den Arbeitnehmern ist jedoch zu besorgen, dass in Zukunft von Gerichten hohe Anforderungen an die Prüfungs- und Informationspflichten der Geschäftsleitung gestellt werden. Dies gilt umso mehr, als die betriebliche Altersvorsorge einen Zeitraum von vielen Jahren abdecken soll und in öffentlich zugänglichen Quellen wie der Presse, Broschüren der Krankenkassen und angebotenen Seminaren immer wieder die Gefahren des Nichterreichens der Beitragsgarantien und der verwendeten Kapitalanlagemodelle der Versicherer thematisiert werden. Auch gibt es bereits heute Versicherer, die zugesagte Beitragsgarantien schon jetzt nicht mehr erfüllen können. Auch dieser Umstand wird in der Öffentlichkeit bereits thematisiert. Es besteht also Grund zu der Annahme, dass eine Entscheidung „auf Grundlage angemessener Informationen“ nur dann getroffen werden kann, wenn der richtige Experte, also ein Makler mit besonderer Sachkunde im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge, hinzugezogen wird.

 

Auf Grundlage dieses qualifizierten Rates ist dann weiterhin besondere Sorgfalt darauf zu verwenden, den geeigneten Versicherer und den richtigen Durchführungsweg auszuwählen. In der momentanen Zinssituation sollte besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, welche Versicherer in der Lage sind Garantiezusagen überhaupt zu erfüllen (s.o.) und ein gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis für den Arbeitgeber, aber auch den einzelnen Arbeitnehmer, bieten. Auch die verschiedenen Durchführungswege müssen auf ihre Eignung für das konkrete Unternehmen sorgfältig geprüft und gegeneinander abgewogen werden. Schließlich ist der Arbeitgeber in aller Regel der Versicherungsnehmer und hat folglich dafür Sorge zu tragen, dass keine für den Arbeitnehmer nachteiligen Vertragsbedingungen vereinbart werden.

 

Um (persönliche) Haftungsrisiken möglichst weitgehend zu minimieren, sollte daher eine sorgfältige Auswahl des Experten zur betrieblichen Altersvorsorge, des Versicherers sowie des Durchführungsweges vorgenommen werden. Darüber hinaus sollte zudem in jedem Fall umfassend dokumentiert werden, dass eine solche umfassende Beratung stattgefunden hat und die Vor- und Nachteile der verschiedenen Versicherer und Durchführungswege sorgfältig abgewogen wurden.

 

c. Überwachungspflicht bei der Durchführung der betrieblichen Altersversorgung

Ist die Entscheidung für einen bestimmten Durchführungsweg mit einem bestimmten Versicherer nach sorgfältiger Auswahl einmal getroffen, so kann diese zwar nicht mehr anhand später gewonnener Erkenntnisse in Frage gestellt werden. Eine Haftung der Geschäftsleitung besteht insoweit nicht mehr in Bezug auf die einmal getroffene Entscheidung.

 

Allerdings trifft die Geschäftsleitung weiterhin die Pflicht, Risiken für das Unternehmen laufend zu überwachen. Dies ist in § 91 Abs. 2 AktG für die Aktiengesellschaft auch konkret gesetzlich geregelt, wonach für die Gesellschaft ein Überwachungssystem einzurichten ist, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden. Da Fehlentwicklungen im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge schon allein wegen ihrer langen zeitlichen Ausdehnung zu der Höhe nach erheblichen Haftungsrisiken führen können, ist eine Risikoüberwachung an dieser Stelle besonders wichtig.

 

Selbstverständlich obliegt es der Geschäftsleitung auch, entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten, wenn Risiken erkannt wurden. Eine Ausprägung davon ist, dass die Geschäftsleitung prüfen muss, inwiefern weiterer Schaden von der Gesellschaft abgewendet werden kann, wenn sich ein Geschäft nachträglich als nachteilig für die Gesellschaft herausstellt. Dies kann beispielsweise aus den jährlichen Mitteilungen der Versicherer zum Stand der betrieblichen Altersvorsorge ersichtlich sein. Folglich kann sich ein persönliches Haftungsrisiko auch schon daraus ergeben, dass Risiken zu erkennen sind – insbesondere, wenn diese schon öffentlich diskutiert werden – und keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Es ist dann also beispielsweise zu prüfen, ob bestehende Verträge geändert oder gekündigt werden können. Demnach gehört es zu den Sorgfaltspflichten der Geschäftsleitung, auch die Risiken aus der Durchführung der betrieblichen Altersvorsorge stets im Auge zu behalten und durch Änderungen bei der Durchführung der betrieblichen Altersvorsorge gegenzusteuern, wenn sich nachteilige Entwicklungen abzeichnen.

 

IV. Fazit

Nach alledem ergeben sich also im Zusammenhang mit der betrieblichen Altersvorsorge im Unternehmen eine Reihe von persönlichen Haftungsrisiken für die Geschäftsleitung, die durch Inanspruchnahme von sorgfältig ausgewähltem Expertenrat, Auswahl des geeigneten Versicherers und des richtigen Durchführungsweges, Überwachung der Risiken sowie entsprechende Dokumentation dieser Abwägungen verringert werden können. Auch wenn derzeit zu den ganz konkreten Fragen noch keine Rechtsprechung vorliegt, sollten die Haftungsrisiken im Auge behalten und durch entsprechende Beratung, Information, Dokumentation und Gestaltung weitest möglich minimiert werden.

Cosima Lena Wagner

Rechtsanwältin

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