Cosima Lena Wagner Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers – Regressmöglichkeiten der Gesellschaft im Kontext der aktuellen Rechtsprechung zu Kartellbußgelder

Kapitalgesellschaften in Deutschland machen nach wie vor einen erheblichen Anteil der Unternehmen in Deutschland aus. Ausweislich des statistischen Unternehmensregisters des statistischen Bundesamtes hat es im Jahr 2023 insgesamt 3 469 918 sog. „Rechtliche Einheiten“ gegeben.[1] Unter „Rechtliche Einheiten“ wird in diesem Zusammenhang entweder eine natürliche Person, die wirtschaftlich tätig ist, eine juristische Person oder eine Personenvereinigung erfasst. Von diesen rechtlichen Einheiten hat es insgesamt 833 890 Kapitalgesellschaften gegeben, was immerhin einen nicht unwesentlichen Anteil von 24 % ausmacht. Eine der bekanntesten Rechtsformen der Kapitalgesellschaften ist dabei neben der Aktiengesellschaft (=AG) die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (=GmbH).

Die GmbH wird dabei gem. § 35 Abs. 1 GmbHG durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Doch sind jedem Geschäftsführer bzw. jeder Geschäftsführerin die jeweiligen Handlungsspielräume bzw. Haftungsrisiken hinreichend bekannt? Welche rechtlichen bzw. wirtschaftlichen Grenzen mit der Tätigkeit als Geschäftsführer bzw. Geschäftsführerin einer GmbH verbunden sind, ist in rechtlicher Hinsicht nach wie vor nicht abschließend geregelt und regelmäßig Gegenstand aktueller Gerichtsentscheidungen.

Mit großem Interesse dürfte daher ein Verfahren vor dem Landgericht Düsseldorf verfolgt worden sein. Was war passiert?

Im Jahr 2021 schloss das Bundeskartellamt das Verfahren gegen Edelstahlunternehmen ab und verhängte Bußgelder in Höhe von insgesamt 355 Mio. €. Insgesamt hat das Bundeskartellamt in dem Verfahren gegen zehn Edelstahlunternehmen, zwei Branchenverbände und siebzehn verantwortliche Personen Geldbußen in Höhe von rund 355 Mio. Euro wegen Absprachen über Preisbestandteile und des Austauschs wettbewerblich sensibler Informationen verhängt.[2]

Hierauf schloss sich das Verfahren vor dem LG Düsseldorf an, in welchem der ehemalige Geschäftsführer der klagenden GmbH und auch Vorstandsmitglied der klagenden AG u.a. auf Erstattung der verhängten Geldbuße gegen die Gesellschaft in Höhe von immerhin 4,1 Mio. € verklagt worden war. Die Unternehmen argumentierten damit, dass durch die Mitwirkung an den kartellrechtswidrigen Absprachen Pflichtverletzungen begangen worden sind, für die der Beklagte gem. §§ 43 Abs. 2 GmbHG bzw. 93 Abs. 2 S. 1 AktG persönlich hafte. Zwar verneinten die Vorinstanzen eine Haftung des Geschäftsführers für die verhängten Geldbußen u.a. mit dem Argument, dass dies den beabsichtigen Zweck des Bußgeldes vereiteln würde. Die Strafe ziele darauf ab, das Vermögen der Gesellschaft zu treffen [vgl. Urteil des LG Düsseldorf v. 10.12.2021, Az.: 37 O 66/20 (Kart.); sowie in 2. Instanz: Urteil des OLG Düsseldorf v. 27.07.2023, Az. VI-6 U 1722 (Kart)]. Doch nun liegt die bislang höchstrichterlich noch nicht entschiedene Fragestellung zur Entscheidung beim Bundesgerichtshof (=BGH).

Eine Entscheidung des BGH zu der Frage, ob Geschäftsführer einer GmbH für Bußgelder des Kartellamtes von der Gesellschaft in Regress genommen werden können, mithin hierfür persönlich haften, dürfte nicht in absehbarer Zeit entschieden werden. So legte der zuständige Kartellsenat die Frage im Februar 2025 zunächst dem Europäischen Gerichtshof (=EuGH) vor, ob Art. 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union einer nationalen Regelung zur Geschäftsführerhaftung bei Kartellrechtsverstößen entgegensteht (vgl. BGH, Beschluss v. 11.02.2025, AZ.: KZR 74/23).

Für den Fall, dass der BGH anders als die Vorinstanzen zu einer Haftung des GmbH-Geschäftsführers bzw. Vorstandsmitglieds der AG kommt, hätte dies jedoch erhebliche wirtschaftliche, wenn nicht sogar existenzielle Auswirkungen für Vertretungsorgane von Kapitalgesellschaften bzw. juristischen Personen. Gleichzeitig öffnet es Tür und Tor für uferlose Inanspruchnahme der Vertretungsorgane für originär gegen das Unternehmen verhängte Geldbußen – auch in anderen Rechtsbereichen – wie z.B. bei Datenschutzverstößen, Menschenrechtsverletzungen, oder anderer Straftaten und Ordnungswidrigkeiten.

Das Verfahren verdeutlicht beispiellos, wie wichtig es ist, die Rechte und Pflichten der Geschäftsführertätigkeit zu kennen und die Handlungsspielräume bzw. Grenzen ggf. vorab bereits im Anstellungsvertrag konkret festzuhalten. Zudem stellt sich die Frage einer wirksamen Absicherung mittels der sog. Directors-and-Officers (D&O) – Versicherung. Demgegenüber sollten auch Gesellschafter einer GmbH ihre Regressmöglichkeiten gegenüber den Geschäftsführern im Falle einer Pflichtverletzung kennen bzw. ggf. prüfen und durchsetzen lassen.

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[1] Statistisches Bundesamt, Rechtliche Einheiten nach zusammengefassten Rechtsformen im Berichtsjahr 2023, Stand: 02.12.2024, abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Unternehmen/Unternehmensregister/Tabellen/unternehmen-rechtsformen-wz08.html (zuletzt aufgerufen am: 21.02.2025).

[2] Fallbericht des Bundeskartellamts vom 28.09.2021, „Bundeskartellamt schließt Verfahren gegen Edelstahlunternehmen ab und verhängt Bußgelder in Höhe von insgesamt rund 355 Mio. Euro“ Az.: B12-22/15 und B12-21/17, abrufbar unter: https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Entscheidung/DE/Fallberichte/Kartellverbot/2021/B12-22-15_B12-21_17.html?nn=55030 (zuletzt aufgerufen am: 21.02.2025).

Cosima Lena Wagner

Rechtsanwältin

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