Anja DreßelDer Familienunternehmer und die Unternehmerfamilie: Die komplexen Herausforderungen der Nachfolge

Das Familienunternehmen brummt, der Unternehmer ist der Mittelpunkt und ohne ihn läuft nichts. Viel zu tun, große Pläne und wenn man eines nicht hat, dann ist das Zeit sich Gedanken über eine Notfall- / Nachfolgevorsorge zu machen.

Doch diese Zeit ist gut investiert, denn für eine reibungslose Notfall-/Nachfolgevorsorge ist vieles zu bedenken:

  • Sicherstellung der Handlungsfähigkeit der Gesellschaft, gerade bei Alleingesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH (Teil I)
  • Geeignete Unternehmernachfolger: Wer führt mein Lebenswerk fort für die nächste Familiengeneration?
  • Zusammenpassen von Erbrecht und Gesellschaftsrecht: Ist sichergestellt, dass die testamentarische / erbrechtliche Nachfolge nicht an den Konsequenzen der Rechtsform des Unternehmens oder den Bestimmungen der Satzung scheitert?
  • Steueroptimierung / Betriebsaufspaltung / vorweggenommene Erbfolge
  • Finanzielle Absicherung der Familie / des Ehepartners vs. Leistungsfähigkeit des Unternehmens bzw. des Unternehmernachfolgers
  • Schutz des Unternehmens vor Pflichtteilsansprüchen: Vermeidung des Abflusses von im Unternehmen gebundenen Vermögen bzw. Notverkäufen
  • Schwierigkeiten durch internationales Vermögen oder dem Lebensabend im Ausland
  • Vermeidung einer Zersplitterung des Familienunternehmens im Laufe der Generationen: Pooling und Stammesregelungen


Teil 1: Unternehmervollmacht

Sicherstellung der Handlungsfähigkeit: Post- bzw. transmortale Unternehmervollmacht

Eine (postmortale) Vorsorgevollmacht stellt sicher, dass das Unternehmen ohne Unterbrechung handlungsfähig bleibt, sowohl wenn der Unternehmer krankheitsbedingt länger ausfällt oder in der Zeit direkt nach dem Tod. Probleme wegen einer zerstrittenen Erbengemeinschaft, einer nicht angenommenen Testamentsvollstreckung oder allein wegen der Zeit, die die Ausstellung eines Erbscheins dauert, um einen neuen Geschäftsführer bestellen zu können, stellen sich dann gar nicht.

Angestellte können vieles auffangen, aber nicht alles.

Irgendwann kommt der Moment, wo ein Geschäftsführer bzw. eine Gesellschafterversammlung mit Beschlussfassung zwingend gebraucht wird.

In der Praxis ist ein häufiger Anwendungsfall, wo es zwingend Geschäftsführer und Gesellschafterbeschluss braucht, die fristgemäße Offenlegung des Jahresabschlusses. Erfolgt diese nicht rechtzeitig, werden Ordnungsgelder von in der Regel mindestens 2.500 EUR verhängt.

Der Jahresabschluss ist aber zwingend von der Gesellschafterversammlung festzustellen und vom Geschäftsführer offen zu legen. Ist der Geschäftsführer verstorben oder ist er handlungsunfähig, kann die Offenlegung nicht erfolgen, ist er gleichzeitig Gesellschafter, kann auch die Beschlussfassung nicht erfolgen.

Verstirbt der Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, ist das genauso problematisch, denn gegenüber der Gesellschaft gilt nach wie vor der Verstorbene als Gesellschafter, weil er der ist, der in der Gesellschafterliste im Handelsregister steht.

Sämtliche Lösungen dafür dauern entweder lange, sind umständlich, verursachen hohe Kosten oder sind mit Rechtsunsicherheit behaftet. Insbesondere ein Erbschein ist teuer, aufwändig und dauert selbst bei Einvernehmen der Erben und klarem Sachverhalt oft ein knappes halbes Jahr, wenn nicht mehr. Das Einzige, was schnell und effektiv die fortlaufende Handlungsfähigkeit absichert, ist dann eine über den Tod hinaus wirkende Vollmacht (oder, eine Testamentsvollstreckung, wenn sie angeordnet ist und der Testamentsvollstrecker sein Amt annimmt).

Ausgestaltung einer Unternehmervollmacht als Notfall-/Vorsorgevollmacht

Die Vorsorgevollmacht ist regelmäßig im Außenverhältnis sehr weitgehend formuliert, damit der Bevollmächtigte schnell handeln kann. Im Innenverhältnis ist der Bevollmächtigte durch Handlungsanweisungen gebunden, innerhalb derer er von seiner Vollmacht Gebrauch machen darf. Andernfalls macht der Bevollmächtigte sich schadensersatzpflichtig.

Die Vollmacht kann auch zwei Personen als Gesamtvertretung erteilt werden, sodass beide zusammen auftreten müssen und sich so gegenseitig kontrollieren.

Form

Soll die Vollmacht zu Grundstücksgeschäften oder zur Verfügung über Geschäftsanteile einer GmbH berechtigen, bedarf sie der notariellen Form. Es reicht dann die notarielle Beglaubigung, d.h. der Notar bestätigt nur, dass die Unterschrift tatsächlich vom Vollmachtgeber stammt.

Es empfiehlt sich, unabhängig von der Notfall-/Vorsorgevollmacht für Bankgeschäfte eine weitere Vollmacht zu erteilen und dafür die von der betroffenen Bank hierfür zur Verfügung gestellten bankeigenen Muster zu verwenden. Häufig verlangen die Banken sonst einen Erbschein, was im besten Fall unnötig teuer und langwierig, im schlechtesten Fall existenzbedrohlich ist. Das ist rechtlich regelmäßig nicht haltbar, ändert aber nichts daran, dass die Bank die dringend benötigten Gelder erst einmal nicht herausgibt.

Will man die Vollmacht beurkunden lassen, kann man das tun – auch dies ist erheblich günstiger als der Erbschein und verschafft den nötigen Zeitvorteil. Einziger Mehrwert ist dann aber nur, dass man so möglicherweise ein Argument gegen Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers hat.

Dauer

Die Vollmacht gilt postmortal (d.h. sie beginnt mit dem Tod) oder transmortal (d.h. sie gilt schon zu Lebzeiten und gilt über den Tod hinaus). Sie kann durch die Erben widerrufen werden, sobald der oder die Erben der Auffassung sind, dass die Vollmacht nicht mehr nötig ist. Durch den Vollmachtgeber kann sie ohnehin jederzeit widerrufen werden.

Kosten

Eine notariell beglaubigte Vollmacht kostet deutlich unter 100 EUR, egal, wie hoch das Vermögen des Ausstellers ist. Die Kosten für einen Erbschein richten sich nach dem Vermögen des Erblassers und bewegen sich in der Regel im vier- bis fünfstelligen Bereich.

Abschließender Hinweis: Erlöschen der Vollmacht, wenn der Alleinerbe auch der Bevollmächtigte ist

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass es Fälle gibt, in denen die Vollmacht unbeabsichtigt erlischt, nämlich wenn der Bevollmächtigte gleichzeitig der Alleinerbe ist (sog. Konfusion). Der Alleinerbe tritt vollständig in die Rechtsposition des Verstorbenen ein (sog. Gesamtrechtsnachfolge); rechtlich ist der Alleinerbe dann der Vollmachtgeber. Weil man aber nicht gleichzeitig aus einem Rechtsverhältnis verpflichtet und berechtigt sein darf, erlischt dann das Rechtsverhältnis.

Ergänzende Regelungen

Es kann sich im Einzelfall anbieten, eine Unternehmervollmacht durch eine Vollmacht für private Angelegenheiten, eine Betreuungsverfügung sowie eine Patientenverfügung zu ergänzen.

(wird fortgesetzt)

Anja Dreßel

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht

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