Wir alle müssen regelmäßig zum Arzt und diverse Behandlungen und Untersuchungen machen lassen. Doch was passiert, wenn bei der Behandlung ein Fehler passiert? Welche Möglichkeiten hat man und wie läuft so ein Verfahren juristisch ab?
Am Anfang steht der Verdacht
Im Regelfall geht niemand gesund zum Arzt. Grundsätzlich sollte die medizinische Behandlung also eine Besserung der Krankheit herbeiführen. Der Patient hat jedoch keinen Anspruch gegen den Arzt, dass dieser ihn wieder gesund macht, sondern „nur“ den Anspruch auf eine ordnungsgemäße Behandlung. Die Behandlung muss ihrem jeweiligen aktuellen Stand der Medizin und dem sogenannten Facharztstandard entsprechen. Weicht der Behandelnde von dieser Pflicht ab, sprechen Juristen von einem Behandlungsfehler.
Meist hat der Patient den Verdacht, dass der Behandelnde ihn nicht ordnungsgemäß behandelt hat, weil es ihm nach der Behandlung schlechter geht als vorher, weil ein anderer Behandelnder Kritik an der Behandlung äußert oder weil offensichtlich etwas übersehen worden ist. Ein solcher Verdacht sollte stets untersucht und ernsthaft geprüft werden! Dabei gibt es viele verschiedene Wege:
Zunächst muss die gesamte Behandlungsdokumentation eingeholt werden. Diese Unterlagen sollten durch eine Person mit juristisch geschultem Auge ausgewertet werden, da bereits an dieser Stelle entscheidende Weichen gestellt und Auffälligkeiten in der Behandlung herausgearbeitet werden können. Im nächsten Schritt kann ein kostenloses Sachverständigengutachten eingeholt werden, entweder über die gesetzliche Krankenversicherung oder (auch für Privatversicherte) über die Landesärztekammer des jeweiligen Bundeslandes. Je nachdem wie die Sachlage ist, kann der Fall außergerichtlich abgewickelt werden. Sollte dies nicht möglich sein, muss der Fall vor Gericht gebracht werden.
Wer haftet für was?
Wenn die Behandlung in einem Krankenhaus durchgeführt wurde, dann muss dieses grundsätzlich für entstandene Schäden des Patienten aufkommen. Wie jeder Arbeitgeber haftet das Krankenhaus für Fehler seiner Mitarbeiter. Zwischen Krankenhaus und Patient kommt ein Behandlungsvertrag zustande, im Rahmen dessen das Krankenhaus die Behandlung schuldet und Schäden vom Patienten abzuwenden hat.
Der Behandelnde haftet zudem persönlich für Fehler und muss sich hierfür vor Gericht verantworten. Behandelnde sind übrigens nicht nur der Arzt oder die Ärztin, unter den Begriff fallen auch Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Hebammen und Pflegepersonal.
Behandlungsfehler sind vielfältig und können in den unterschiedlichsten Formen auftreten. Vor der Behandlung muss der Patient ordnungsgemäß aufgeklärt werden, sonst ist die nachfolgende Behandlung rechtswidrig. Streng genommen spricht man in diesem Fall nicht von einem Behandlungsfehler, sondern von einem Aufklärungsfehler.
Den Behandelnden trifft zudem die Pflicht alle notwendigen Befunde zu erheben und sie auszuwerten. Ein Beispiel: Ein Kind kommt nach einem Fahrradsturz ins Krankenhaus und hat Schmerzen am rechten Arm. Grundsätzlich muss der Arzt/die Ärztin den Arm röntgen, wenn der Verdacht besteht, dass der Arm gebrochen ist. Tut er/sie dies nicht, liegt ein sogenannter Befunderhebungsfehler vor.
Wenn der Arm tatsächlich geröntgt wird, der Behandelnde erkennt den Bruch nicht und diagnostiziert nur eine Prellung, sprechen Juristen von einem Diagnoseirrtum. Je nachdem wie gravierend dieser Fehler ausfällt, haftet der Behandelnde oder auch nicht. Angenommen der Arm des Kindes hätte operiert werden müssen, der Behandelnde legt aber nur einen Gips an, dann spricht man von einem Therapiefehler.
Welche Ansprüche haben die Patienten?
Ein Patient kann Schadensersatz verlangen. Meistens geht es dann um Schmerzensgeld und den Ausgleich finanzieller Schäden. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes kommt es auf individuelle Faktoren an. Wenn das Kind im Beispielsfall dauerhafte Schäden durch einen schief zusammengewachsenen Arm hat, steht ihm ein 5-stelliges Schmerzensgeld zu. Sollte es gar zu einer Lähmung oder Amputation des Arms kommen, wird ein deutlich 6-stelliger Betrag zu fordern sein.
Angenommen ein Behandlungsfehler führt zu einer dauerhaften Erwerbsunfähigkeit, hat der Patient Anspruch auf einen entsprechenden Lohnausgleich. Im Fall einer Behinderung können zudem Kosten für einen behindertengerechten Umbau des Hauses oder der Wohnung anfallen.
Hat man denn überhaupt eine Chance in so einem Verfahren zu gewinnen?
Die Antwort ist ein klares „Ja!“. Der Medizinische Dienst wertet jährlich diejenigen Fälle aus, in denen er als Sachverständiger zu Rate gezogen wurde. Im Jahr 2022 wurde der MD in 13.050 Verdachtsfällen um eine Begutachtung gebeten, in 24,7 % der Fälle wurde ein Fehler bestätigt.